100 Jahre Ruderverein in Laubegast

Es war am 11. Februar 1921, als Laubegaster Handwerker, Geschäftsleute und Lehrer beschlossen, den „Laubegaster Ruderverein e.V.“ zu gründen. Ein Jahr später wurden Grundstücke am Elbufer erworben und bereits im Mai 1923 erfolgte die Einweihung des neu errichteten Bootshauses, durch die Vereinsmitglieder erbaut und finanziert.

Der Verein hatte in den 20er Jahren etwa 100 Mitglieder und startete, oft erfolgreich, auf Regatten im sächsischen Raum im Vierer und im Achter. Immerhin um die 1000 Ausfahrten mit über 20.000 Bootskilometern wurden jährlich auf den 46 vorhandenen Bootsplätzen im Fahrtenbuch registriert. Einen hohen Stellenwert im Verein besaß die Geselligkeit unter den Mitgliedern. Es gab in renommierten Lokalen Herrenabende, Skatturniere und jährliche Stiftungsfeste. Im stimmungsvoll eingerichteten Vereinszimmer des Bootshauses mit angeschlossener Küche war nach dem Training für die leiblichen Genüsse bestens gesorgt.

Im Zeitraum von 1933 bis 1945 war das Vereinsleben durch die Nationalsozialisten geprägt. Der Vereinsführer musste einen Nachweis arischer Abstammung vorlegen, Reden des Führers waren im Bootshaus gemeinsam anzuhören, eine „Adolf-Hitler-Eiche“ musste auf dem Bootshausgelände gepflanzt werden und jüdische Mitglieder hatten den Verein zu verlassen. Der Rudersport und das Vereinsleben konnten ohne Einschränkungen ausgeübt werden. Jedoch wurden viele Vereinsmitglieder zur Wehrmacht eingezogen und somit durften seit den Kriegsjahren auch Frauen den Rudersport ausüben. 1945 war der Ruderbetrieb vollständig eingestellt, der Volkssturm wurde im Bootshaus einquartiert.

Bereits am 8. Juli 1945 starten die Laubegaster Ruderer unter dem neuen Namen „Sportgemeinschaft Laubegast“ zum Anrudern. Ihr Domizil war das Bootshaus des „Kanuverein Laubegast“. Aus einer Handvoll enthusiastischer Männer und Frauen wurden in den Nachkriegsjahren rasch wieder 120 Vereinsmitglieder. 30 Ruderboote standen zur Verfügung und 1947 wurden schon über 6000 Bootskilometer zurückgelegt.

Im gleichen Jahr beschlagnahmte die sowjetische Armee als Reparationsleistung alle Großboote des Vereins, der Achter und elf Vierer wurden auf einem Elbdampfer abtransportiert.

Der Umzug vom Bootshaus des Kanuvereins Laubegaster Ufer 35 ins angestammte Bootshaus Laubegaster Ufer 8 war mittlerweile vollzogen. Im Veranstaltungsprogramm standen viele Arbeitseinsätze, so unter anderem im Mai 1948 mit der Bemerkung auf der Einladung: „Bitte Nägel für die Bootsstege mitbringen!“

Das Wanderrudern stand im Mittelpunkt, wie Erdbeerfahrten ins Kursächsische Forsthaus nach Söbrigen, eine Portion Erdbeeren mit Zucker gab es nur gegen Abgabe von Zuckermarken auf der Lebensmittelkarte. Zögerlich entwickelte sich das Wettkampfrudern mit Regatten im regionalen Umfeld, aber die Geselligkeit wurde ausgiebig gepflegt mit gemeinsamer Himmelfahrtspartie, Faschingsfeier und Sommernachtsball.

In den 50er Jahren wurde der Verein einem Trägerbetrieb, dem „VEB (Volkseigener Betrieb) Zeiß Ikon“, später Kombinat Pentacon, zugeordnet und trug zuerst den Namen „BSG (Betriebssportgemeinschaft) Zeiss-Ikon“, später „BSG Motor Dresden-Ost, Sektion Rudern“. Mit Hilfe des Trägerbetriebes konnten der Bootssteg, bis dahin aus Baumstämmen bestehend, durch einen Holz-Ponton-Steg ersetzt und neue Boote angeschafft werden. Legendär war der Transport eines neuen Achters auf den Schultern der Ruderer vom Güterbahnhof Dresden-Niedersedlitz bis ins vier Kilometer entfernte Bootshaus.

Stark entwickelte sich der Wettkampfsport. Jährlich wurden bis zu 13 Regatten besucht und zahlreiche Siege errungen. Erfolgreich war der Männervierer mit Steuermann, welcher ins Leistungszentrum, dem Sportclub Einheit in Dresden, delegiert wurde. Außerordentlich beliebt waren im Sommer das Wanderrudern auf den Zeltplatz Wehlen und die Besuche in der Teichbaude am Geisingberg im Winter.

Anfang der 60er Jahre erfolgte eine Generalinstandsetzung des Bootshauses. Viele Vereinsmitglieder halfen tatkräftig mit, alle Boote wurden ausgelagert und jeglicher Sportbetrieb ruhte fast zwei Jahre bis Juli 1963. Größere Bootshallen standen nun zur Verfügung, ebenso wie im neu errichteten Anbau moderne Garderoben und Duschen. Allerdings sank die Zahl der Mitglieder von 169 vor Baubeginn auf nur noch 69. In den folgenden Jahren erholte sich der Verein, inzwischen in „BSG Pentacon Dresden“ umbenannt, sehr schnell wieder, was unter anderem 1969 beim 1. Rudertreffen in Brandenburg mit der Auszeichnung als „Beste Rudersektion der DDR in der Kategorie bis 125 Mitglieder“ zum Ausdruck kam.

1971 wurde im Verein ein „Trainingszentrum (TZ)“ gegründet mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche an den Leistungssport heranzuführen und talentierte Jugendliche zur Sportschule oder zum Leistungszentrum „Sportclub Einheit Dresden“ zu delegieren. Das TZ und die „Sektion Rudern der BSG Pentacon“ organisierten den Sportbetrieb im Bootshaus nebeneinander und unabhängig voneinander, sowohl strukturell, personell als auch finanziell. Hauptamtliche Trainer wurden im TZ eingesetzt, für das Krafttraining zusätzliche Räumlichkeiten auf einem benachbarten Grundstück geschaffen, ein neuer Zugang zur Elbe betoniert und das Bootsmaterial auf 67 Rennboote erweitert.

In den 70er und in den 80er Jahren dominierte das Wettkampfgeschehen im TZ und bei den erwachsenen Vereinsmitgliedern. Sabine Heß gewann 1976, für den Sportclub Einheit Dresden startend, die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. In den Jahren 1972, 1983 und ab 1986 jährlich wurden Titel als DDR-Meister errungen. Das Wanderrudern und der Freizeitsport standen weniger im Fokus.

Eine Zäsur stellte 1990 die Einheit Deutschlands dar. Die Strukturen und wirtschaftlichen Grundlagen im Sport veränderten sich grundlegend. Die Jahreshauptversammlung am 13. Dezember 1990 beschloss die Gründung des „Laubegaster Ruderverein Dresden e.V.“ und verstand sich als Nachfolger des im Jahre 1921 gegründeten Laubegaster Rudervereins e.V. Von der „BSG Pentacon“ übernahm der Verein das gesamte Inventar, alle Boote und einen Geldbetrag von 11.300 DM, das Grundstück verblieb in städtischem Besitz. Ein neuer Vorstand wurde gewählt. Der Laubegaster Ruderverein Dresden e.V. startete mit 110 Mitgliedern.

In den 90er Jahren erlebte das Wettkampfrudern einen enormen Aufschwung. Nun konnten Regatten in ganz Deutschland und im Ausland besucht werden, selbst im fernen Australien siegten 1997 zu den FISA-Masters Ruderinnen aus Laubegast. Auch als kleinerer Verein waren wir bei Meisterschaften immer wieder erfolgreich.

Ein Sanierungsstau am Bootshaus aus DDR-Zeiten wurde Schritt um Schritt abgebaut und das gesamte Vereinsleben insgesamt vielfältiger gestaltet und der Altersdurchschnitt jünger.

Die 2000er Jahre begannen mit einer Katastrophe. Zum Jahrhunderthochwasser im August 2002 strömte die Elbe in einer Höhe von 1,80 Metern durch Bootshallen und Sanitärräume. Viele Boote, Sportgeräte, Einrichtungsgegenstände und der Bootssteg waren beschädigt oder zerstört. Mit vielen, vielen Einsätzen der Vereinsmitglieder, mit einer großen Hilfsbereitschaft auch fremder Menschen und mit zahlreichen Spenden wurden bis 2003 die Schäden beseitigt. Dabei entstand die Idee, den vorderen Teil des Bootshauses aufzustocken, um einen ganzjährig nutzbaren Kraftraum zu schaffen. 20.000 Euro Arbeitsleistungen der Mitglieder, 19.500 Euro Vereinsmittel, ergänzt durch Spenden und Fördermittel, ermöglichten die Aufstockung schon 2004 fertigzustellen.

Das Vereinsleben war in diesen Jahren außerordentlich vielfältig. Neben zahlreichen und erfolgreichen Wettkämpfen auf den Regatten in Deutschland und Europa, (unter anderem neun Junioren-Weltmeistertitel seit 1995) wurden Trainingslager und Wochenendfahrten im Sommer und Winter organisiert. Die Teilnahme an Waldläufen, Schwimmwettkämpfen, Fußballturnieren oder am Wanderrudern waren fester Bestandteil in der Vereinsarbeit, genauso wie die jährlichen Vereinsfeste, das Anrudern oder das Neujahrs-Glühen ab Beginn eines jeden Jahres. Besondere Aufmerksamkeit seitens des Vereins erhielten die Kinder und Jugendlichen, nicht nur bei der sportlichen Ausbildung, auch bei geselligen Veranstaltungen, wie Übernachtung im Bootshaus oder Plätzchenbacken.

Niemand hatte es für möglich gehalten, aber bereits 11 Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser, im Jahr 2013, stand bei einem neuerlichen Hochwasser der Elbe das Bootshaus 1,30 Meter unter Wasser. Durch die Aufstockung konnten alle Sportgeräte, Einrichtungsgegenstände und die Boote rechtzeitig hochwassersicher gelagert werden. Die Schäden in den Sanitärbereichen wurden durch eine grundhafte Sanierung beseitigt.

Dabei entstand die Idee, einen Ersatzneubau zu errichten. Einerseits war die Bausubstanz der Bootshallen nach zwei Hochwassern sanierungsbedürftig, andererseits musste in jedem Winter ein temporärer Kraftraum in die Bootshalle eingebaut werden. Geplant wurde der Bau von zwei neuen Bootshallen mit einer Aufstockung zur Schaffung eines Kraftraumes, eines Raumes für Ergometer und eines Gymnastikraumes.

Im Dezember 2017 erhielt der Verein den Fördermittelbescheid und im Juni 2018 begannen die Bauarbeiten mit dem Abriss der alten Bootshallen. Während der gesamten Bauzeit konnte der Sportbetrieb durch Nutzung eines Ausweichobjektes in Tolkewitz und durch Hilfe anderer Dresdner Wassersportvereine aufrechterhalten werden. Im Dezember 2019 konnten alle Vereinsmitglieder den Ersatzneubau in Besitz nehmen. Mehr als eine Million Euro kostete das Vorhaben, davon kamen etwa 10 Prozent aus Mitteln des Vereins und durch Arbeitsleistungen der Mitglieder.

Das Jahr 2020 stand auch im Laubegaster Ruderverein ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Zeitweise war das Bootshaus gesperrt, zeitweise war nur eingeschränktes Training möglich, kaum eine Regatta fand statt und das Vereinsleben stagnierte.

Ein Highlight bescherte Katja Fuhrmann ihrem Verein mit dem Titel „Europameisterin U23“ als Schlagfrau im Achter.

Auch in diesen Wochen hat der Corona-Lockdown unseren Sport völlig lahmgelegt und somit musste die für Februar geplante Veranstaltung zum 100-jährigen Jubiläum gestrichen werden und auch die ins Auge gefasste Online-Variante kann nicht stattfinden. Ich bin ganz sicher, dass dieses Jahr im April, oder wann auch immer, eine richtige Geburtstagsfeier für alle im Bootshaus stattfinden wird.

Im Laubegaster Ruderverein mit allen seinen Mitgliedern wird es wieder ein Leben nach Corona geben.

verfasst von Wolfgang Schröder

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